Kieran Urs Magnus Roth

* 2. März 2001

+ 9. März 2001

 

Update - wie es uns geht, Anfang September 2001

Wir haben überlegt, daß manche, die Kierans Homepage besuchen, sich fragen, wie es uns wohl mittlerweile geht. Deshalb soll hier nun ein Update rein, auch wenn es eigentlich mit Kieran nicht viel zu tun hat.

Es war sehr sehr schwer. Wir hatten gelesen und gehört, daß es besser werden würde, daß es wieder erträglicher würde und leichter, weiterzuleben. Wir haben gehofft, dahin zu kommen und wir haben es tatsächlich geschafft!
Es ist uns noch vor wenigen Monaten so schlecht gegangen, aber wenn man uns jetzt fragt, wie es uns geht und wenn wir ehrlich antworten, dann müssen wir sagen: ganz gut.
Eine Zeitlang haben wir gesagt: "Es geht nicht gut, aber es geht."

Es ist aber auch so einiges passiert.

Ich (Maren) habe Ende Mai begonnen, 18 Stunden/Woche als Trainerin in einem Fitness-Studio zu arbeiten. Es war merkwürdig für mich und anfangs manchmal recht schwer, wir haben da auch eine Kinderbetreuung, mehr brauche ich wohl nicht zu sagen. Am Anfang war alles irgendwie wie im Film, so unwirklich. Ich bin hingefahren und hatte das sichere Gefühl, daß Kieran bei mir ist und stolz auf mich ist. Jeden Abend beim Heimfahren habe ich laut mit ihm gesprochen, ich spürte ihn so nah.
Es war eine gute Ablenkung und so MUSSTE ich regelmäßig raus, aus dem Haus, aus der Trauer, aus dem Alleinsein.
Nach anderthalb Jahren Nur-Hausfrau war es eine ziemliche Umstellung. Nach Kierans Tod hatte ich nichts, gar nichts mehr über's nötigste hinaus gemacht, und jetzt, wo ich es allmählich aufarbeiten wollte - bei einer so großen Wohnung nicht so leicht - kam ich nicht mehr dazu.

Außerdem fing die Football-Saison bereits wieder an, ich war zwar noch nicht hundertprozentig fit (nach meinem Dafürhalten), aber das merkte man mir bei den Spielen wirklich nicht an. Mein Kraft- und Lauftraining kostet auch einige Zeit und die Fahrten zu den Spielen an den Wochenenden auch.

Michael überraschte mich damit, eine Woche Urlaub machen zu wollen, absolut gar nix tun, nur zur Ruhe kommen. Mir war der Zeitpunkt nicht besonders lieb, und von solchen Kurzurlauben halte ich eh nicht gerade viel, weil sie keinerlei bleibenden Erholungswert haben, und für mich ist es eine Strafe, absolut gar nix tun zu sollen, v.a. wo es mir gerade etwas besser ging. Ich war nicht erfreut über den Gedanken, dann alles allein unternehmen zu müssen, aber er war definitiv urlaubsreif, völlig fertig. Also gut, wir buchten 1 Woche Mallorca. Das erste (und definitiv einzige) Mal in unserem Leben ohne Reiserücktrittsversicherung, denn es sollte am 12.6. bereits losgehen.

Am Pfingstmontag, 4.6., riß Michaels linke Achillessehne durch. Arzttermine, Krankenhaus (weil just der einzige Arzt, der in der Woche in Augsburg operieren konnte, Belegbetten in einem Krankenhaus hat und nur dort operiert, unser klasse Arzt hätte gern selbst operiert, ambulant, aber sein Anästhesist war in Urlaub), Michael völlig am Boden und der Urlaub in Frage gestellt. Innerhalb von 1 Woche war auch ich völlig fertig. Ich fuhr Michael durch die Gegend, ging zur Arbeit, versuchte noch ein bißchen zu trainieren, wir waren schließlich mitten in der Saison. Wir hätten ne Menge Geld verloren, wenn wir den Urlaub noch storniert hätten, wir überlegten also, ob ich allein fliege, oder ob ich vielleicht ne Begleitung finde, dann wollte Michael aber doch irgendwie mit können und so war bis zum 11.6. alles offen. Da wurde er aus dem Krankenhaus entlassen, nachdem er ein bißchen ärger gemacht hatte. An einem Tag schnell für 2 Leute gepackt, Nachbarn wegen Pflanzengießen und Vögelversorgen angesprochen, nochmal zum Arzt wegen Thromboseprophylaxe und Verbandmaterial, am Abend noch Selbsthilfegruppe und dann mitten in der Nacht zum Flughafen und ab nach Mallorca.

Für mich war es dann wider Erwarten eine ganz nette Woche. Ich war unterwegs, schwamm im Meer, genoß die Sonne. Michael lag auf einer Liege am Pool im Schatten, beim Frühstücks- und Abendbüffet blieb ich in ständiger Bewegung bis ich uns beide satt hatte, dann lag er im Zimmer. Dreimal kam er abends auf seinen Krücken mit runter ans Meer und setzte/legte sich auf ein Mäuerchen. Hinterher stellte er fest, daß es ihm doch auch gutgetan hätte, aber auf diese Art zur Ruhe zu kommen hatte er nicht gewollt.

Wieder daheim ging der Streß für mich solange weiter, bis Michael den Geschäftswagen Anfang Juli in einen Automatik tauschen konnte und wieder selbst mobil war. Daß ich wirklich Streß hatte, zeigte sich u.a. darin, daß ich, wie direkt nach Kierans Tod, wieder anfing, nachts mit den Zähnen zu knirschen, was zu extrem empfindlichen Kauleisten führte.

Michael war bis Anfang August krankgeschrieben und das tat nicht nur seinem Fuß sehr gut. Er hatte endlich Zeit, in der Trauerarbeit aufzuholen, zu sich zu kommen, zur Ruhe zu kommen, an seiner anderen Website weiterzuarbeiten, etc.

Wir hatten Ende Juni den Termin bei Professor Petersen in Freiburg, er ist DIE Koryphäe auf dem Gebiet der gynäkologischen Infektiologie. Denn meine neu gefundene Frauenärztin war nur bereit, eine Folgeschwangerschaft zu betreuen, wenn dieser Professor den medizinischen Rahmenplan stecken würde.
Da ich plane, so ich dazu komme, auf Kierans Seite auch Fakten über B-Streptokokken, praktisch unser zusammengetragenes Wissen, darzustellen, halte ich es jetzt nur kurz.
Der Professor machte uns Mut, möglichst schnell wieder schwanger zu werden. Mit entsprechender Prophylaxe sei es durchaus kein höheres Risiko, daß wieder so etwas trauriges passiert, als es ohnehin immer ist. Und ansonsten sei bei mir alles wunderbar in Ordnung.

Wir haben eh bereits fleißig geübt, ich maß die Temperatur, weil mein Zyklus sich noch nicht wieder richtig eingependelt hatte.

Es lief dann alles wieder halbwegs. Michael ganz guter Dinge, noch krankgeschrieben, aber schon recht mobil, ich wieder ohne Streß mit Zeit für Sport.

Am 22.7. brach ich mir beim Footballspielen in Rüsselsheim das rechte Handgelenk, genauer gesagt die Speiche, und ein klitzekleines Stückchen von der Elle ging auch ab.

OP, Tag drauf nach Hause, zu unserem Superarzt, der mir direkt ne angenehmere Schiene verpaßte als den antiquierten Krankenhaus-Weißgips. Nun mußte Michael MICH fahren. Und mich versorgen, denn erstmal ging kaum was allein, jede Bewegung des Arms tat weh.

Am 25.7. machten wir einen Schwangerschaftstest und er war POSITIV!!! Freude, aber auch direkt Angst, sich zu früh zu sehr zu freuen, sofort keine einzige Tablette mehr genommen, was natürlich das Ertragen des gebrochenen Handgelenks nicht gerade angenehmer machte.
Am gleichen Tag starb Michaels ganz liebe Oma...

Beim Arzt mußte ich mich schon am nächsten Tag outen, denn ich sollte mal wieder geröntgt werden. Schon merkwürdig, so früh zu irgendwem etwas zu sagen. Bei Kieran habe ich es sogar Michael erst in der 9. Woche gesagt, nun wußten es in der 5. gleich so einige, komisch.
Aber ansonsten wollten wir erstmal den Besuch bei der Frauenärztin am 6.8. abwarten.

Danach sagten wir es dann bei einem Besuch erst meiner Familie, 10 Tage später, ebenfalls bei einem Besuch, Michaels Eltern. Alle freuen sich sehr und hoffen, drücken die Daumen, beten, jeder nach seinem Geschmack. Auch meiner Footballmannschaft und einigen Freunden sagte ich es. Wir haben festgestelllt, wie gut uns Trost und Anteilnahme an unserem Verlust bei Kierans Tod getan haben. Und wir wissen nun leider zu gut, daß jederzeit etwas passieren, "es" schiefgehen kann, nicht nur in den ersten 12 Wochen. Wenn es keiner weiß, kann uns keiner trösten, aber wenn es Leute wissen, können sie uns Daumen drücken, etc., was auch immer und im Fall eines Falles auch wieder trösten. Drum haben wir es doch recht früh gesagt.

Mein Arm heilte so vor sich hin, nur die Metallstifte schoben sich schon sehr früh raus, nach 3 statt 5 Wochen mußten sie gezogen werden. Ne Woche drauf wurden auch die Fäden gezogen und ich bekam eine Handgelenksstütze, die ich dann auch nach 5 Wochen insgesamt schon zeitweilig ausziehen durfte. Inzwischen habe ich mit Krankengymnastik begonnen, übe recht viel, kann neunfingrig tippen und so einiges wieder mit rechts machen, z.B. Zähneputzen und schreiben. Es tut immer noch ein bißchen weh, ich muß regelmäßig kühlen, aber es geht voran. Meiner atrophierten Muskulatur im ganzen rechten Arm versuche ich nun auf den Leib zu rücken.

Mit verbessertem Gesundheitszustand des Armes bessert sich auch mein gesamtes Befinden.
Ich hatte nicht erwartet, daß mich eine Folgeschwangerschaft sofort überglücklich machen würde und so ist es auch. Ich habe mehr als letztes Jahr, als doch eine SS und alles andere unbekanntes Neuland waren und man gar nicht wußte, was auf einen zukommt, Gefühlsschwankungen. So vieles erinnert mich an die SS mit Kieran und die Folge sind Tränen und Trauer oder Melancholie. Und dennoch läßt sich bereits jetzt einiges leichter ertragen, z.B. der Anblick kleiner Kinder. Monatelang (und auch jetzt noch) war für mich ganz klar: meins oder keins, ich wäre freiwillig nicht in die Nähe eines kleinen Kindes gegangen und war mehr als froh, in meinem persönlichen Umkreis keine ertragen zu müssen. Ein Treffen meines Geburtsvorbereitungskurses habe ich auch mit aus diesem Grund abgesagt, mich aber trotzdem gefreut, daß sie den Kontakt halten wollen und mich verstehen.
Mit der Angst geht es bisher ganz gut, aber ich kann und v.a. WILL noch nicht weiter als bis zu meiner Nasenspitze voraus hoffen. Ich freue mich, daß bisher alles gut geht.
Ich versuche, mir bewußt Zeit zu nehmen und ruhige Momente zu schaffen, wo ich mit dem neuen Wesen rede. Ich habe von Anfang an Tips beherzigt und immer wieder die Kinderseele eingeladen, doch zu uns zu kommen, sie könnte sich ja von Kieran mal erzählen und bestätigen lassen, daß es bei uns ganz viel Liebe für sie gäbe. Habe die Eizelle beschworen, sich einzunisten, usw. Und nun rede ich immer wieder mit dem Menschlein und beschwöre es, einen guten Job zu machen, sich ordentlich zu entwickeln und wirklich dauerhaft bei uns zu bleiben.
Mit Kieran rede ich sowieso, ständig, täglich, über alles.
Da ich meinen Glauben an einen guten Gott weitestgehend verloren habe und seit Kierans Tod nicht mehr beten kann, wende ich mich in allen Dingen an mein Engelchen Kieran. Und wenn es etwas ganz großes ist, wie vor Wochen die Bitte um eine neue Schwangerschaft, dann bitte ich ihn, bei seinem Chef ein gutes Wort für uns einzulegen.

Es ist interessant, daß ich meistens nicht mehr weinen muß, wenn ich mit Kieran oder über ihn rede. Aber manchmal erwischt es mich doch und dann fühlt es sich wieder genauso an, wie ganz frisch im März, dann tut es so furchtbar weh und es will mich zerreißen und dann bin ich eine Weile im Loch. Nach wie vor vermisse ich ihn unsagbar.
Und gerade die neue Schwangerschaft erinnert mich immer wieder an den Verlust. So gesehen ist es nicht leichter dadurch.

Aber, um dieses Update hiermit abzuschließen, generell geht es uns sehr viel besser. Es ist schön, wieder eine Hoffnung zu haben, es ist fast unfaßbar, daß es so schnell schon wieder geklappt hat, das hat wohl nur meine Frauenärztin wirklich geglaubt.
Wir bitten alle, die mit uns fühlen, uns die Daumen zu drücken oder - wer dran glauben kann, daß es hilft - zu beten, daß Kierans Geschwisterchen gesund zur Welt kommt und auch gesund bei uns bleiben darf!

Maren Walz im September 2001 

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